Felix Keller
Foto: Svenja Weidmann
Über mich
Falls man die Geburt als erste Reise bezeichnen möchte, so datiert das auf das Jahr 1950, im März. Was danach folgte, sollte mein Leben für immer prägen. Die Jugendjahre bis Ende Schule geriet ich in einen ziemlich heftigen Strudel der Gefühle, doch eines Tages sollte mir etwas widerfahren, das mich teilweise davon befreite und ich lernte einen unschätzbaren Wert kennen, den der Reise und dass ich mich in der Fremde eher zuhause fühlen konnte, wie in meinem richtigen Elternhaus. Ich würde darum viele, sehr viele Reisen unternehmen, meine erste Reise brachte mich nach Kanada in die Rocky Mountains, da wo all meine nächsten Verwandten lebten, nämlich der Bruder meiner Mutter und darum hiess in Golden, BC, ein Grossteil der Bevölkerung wie meine Mutter als noch Unverheiratete – Schiesser. Selbst im Supermarkt fand man Ziger, den echten Glarner Ziger!
Von Vancouver, wo ich eine Freundin besuchte, startete ich eine Reise nach Mexiko. Von da in den Süden, nach Chiappas, Guatemala und Belize. Dort landete ich in Tikal, der antiken Stadt der Maya. Das war vor vierzig Jahren und noch lange bevor die Stätte von der UNESCO in Beschlag genommen werden konnte. Es gab eine einfache Herberge – mit Hängematten ausgestattet. Was mir aber ewig in Erinnerung bleiben würde, war, dass ich beim Eindunklen zuoberst auf dem höchsten Tempel sitzen und das Einnachten und das damit verbundene Schauspiel des Übergangs vom Tag zur Nacht hautnah erleben durfte: War das ein Spektakel! Grandios! Mitten im Dschungel, kaum dass sich die Sonne hinter den Horizont versenkt hatte, mit einem Schlag begann das Konzert der Geschöpfe des Dschungels! War das ein Vibrieren und Singen von Insekten, die lautstark sich Geltung verschafften, Affen und Vögel aller Art gaben, was das Zeug hielt. Ebenso, wie es gekommen war, verstummte es. Nur die Insekten hielten sich nicht daran, da gab es welche, die hatten ein röhrenartiges Loch geschaffen, davor hockten sie um das Loch als Resonanzkörper zu nutzen und lärmten gehörig. Etwa zwölf Jahre später machte ich eine viermonatige Reise durch Ecuador. Und da würde ich nochmals dasselbe erleben, aber intensiver. Wir waren mit einem Waoraniführer, er hiess Taremo in einem Einbaum unterwegs. Rio Tiguino da fuhren wir hinunter und campten jede Nacht weiter flussabwärts in provisorischen Lagern, gedeckt mit Palmwedeln und auf dem Boden nur grad eine Plasticplane. Ein Moskitonetz hatte jeder – musste jeder haben. Und genau da erlebte ich, wie das Leben pulsieren konnte in einer Intensität, wie ich sie kaum mehr je erleben würde und das Tag und Nacht, vor allem da. Einmal führte er uns vor einen Brettwurzelbaum, ganz andächtig sagte er: der ist ochenta metros – achtzig Meter hoch! Viel bin ich herumgereist, von den Tiefen des Meeres im fernen Westpapua bis hoch hinauf über fünftausend Meter, einmal in Ecuador, zweimal im Pamir, doch die Dschungelerfahrung, dieses dichte, von leben vibrierende war das, was mir mit Sicherheit die tiefste Zufriedenheit geboten hatte!